Weniger EU-Klimapolitik dank Macron…?

Im Grunde ging es Macron mit seiner Forderung einer „Regulierungspause“ in erster Linie um die Anerkennung von Kernenergie als erneuerbare Energiequelle und um Werbung für Frankreich als Industriestandort. Doch plötzlich stellt die EU ihre Klimapolitik infrage.

Emmanuel Macron hat mit seiner Forderung nach einer Regulierungspause für Umweltverordnungen die unterschiedlichsten Reaktionen ausgelöst:

von Protest bis Zustimmung. Wörtlich hatte er am 11. Mai in einer Rede im Elysée-Palast während einer Konferenz zur Re-Industrialisierung Frankreichs gesagt:

„Ich rufe zu einer europäischen Regulierungspause auf.

Jetzt müssen wir sie [die Regulierungen] ausführen. Wir dürfen keine neuen Regeländerungen vornehmen, weil wir dann alle Akteure verlieren werden. Wir brauchen also Stabilität. Jetzt müssen wir die Umsetzung beschleunigen, denn sonst besteht das Risiko, dass wir bei den Vorschriften die Besten und bei der Finanzierung die Schlechtesten sind.“

„Selbst die Europäer haben die Nase voll von kostspieligen Vorschriften“

The Wall Street Journal kommentierte Macrons Forderung nicht ohne Spott und titelte: „Selbst die Europäer haben die Nase voll von kostspieligen Vorschriften“. Es seien seltsame Zeiten, in denen sogar Europa beginne, an der Weisheit seiner grünen Agenda zu zweifeln. Tatsächlich stimmte beispielsweise Hans-Peter Liese, Abgeordneter der Europäischen Volkspartei und damit pikanterweise Fraktionskollege von Ursula von der Leyen, Macron uneingeschränkt zu: „Was Macron jetzt gesagt hat, sagt unsere Fraktion schon seit Monaten. Es ist wichtig, die Klimaziele zu erreichen, und dazu haben wir durch die Verabschiedung des Emissionshandels und anderer wichtiger Gesetzgebungsvorhaben als Christdemokraten einen wichtigen Beitrag geleistet. Wir können aber nicht alle Umweltprobleme innerhalb von zwei Jahren lösen, und nicht alles, was sich Umweltverbände und Grüne wünschen, kann oder soll umgesetzt werden, schon gar nicht alles sofort.“ Und weiter: „Einige zusätzliche Vorschläge zur Verschärfung des Umweltrechts müssen wir dringend so umschreiben, dass sie praxistauglich sind. Dies gilt zum Beispiel für die Industrieemissionsrichtlinie. Einige Punkte muss man meiner Meinung nach ablehnen, wie zum Beispiel das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law). Ich fordere die liberale Renew-Fraktion im Europäischen Parlament auf, Herrn Macron zu folgen und insbesondere die Interessen der Menschen im ländlichen Raum besser zu berücksichtigen.“

Keine zusätzlichen Vorschriften für EU-Industrie

Justizminister Marco Buschmann bestätigte Macron ebenfalls und twitterte: „Präsident Macron hat eine ‚regulatorische Pause‘ angeregt. Das passt gut zu unserer deutschen Entbürokratisierungsoffensive. Wir sollten den Impuls unserer Nachbarn aufnehmen und eine deutsch-französische Entbürokratisierungsinitiative in der EU starten.“  Auch der belgische Premierminister Alexander De Croo sprang Macron zur Seite. Er gab zu bedenken, dass die EU-Industrie nicht mit zusätzlichen Vorschriften belastet werden sollte, während sie sich auf eine Netto-Null-Emissionen-Strategie umstellt: „Wir sollten nicht versuchen, alles gleichzeitig zu tun. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was am wichtigsten ist.“ Entscheidend sei die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, und De Croo warnte: „Wenn wir die Menschen mit Regeln und Vorschriften überfrachten, laufen wir Gefahr, die öffentliche Unterstützung für die grüne Agenda zu verlieren.“ Es sei ein Mythos, dass der Klimawandel mit einer Strategie des Weniger bekämpft werden könne, sondern das Wirtschaftswachstum müsse von den CO2-Emissionen abgekoppelt werden. Daher solle auch die Kernenergie nicht aufgegeben werden. Es geht weder Macron noch den zitierten übrigen Politikern also um einen Ausstieg aus dem Green Deal, sondern lediglich darum, die Industrie nicht mit zusätzlichen Regulierungen zu belasten, um ihre Zustimmung zum Green Deal nicht zu gefährden. Dennoch zeigte sich etwa die europaweite Partei Volt äußerst empört über Macrons Forderung: Sie sei ein schlechtes Signal für Europa. Macrons Position könne nur denjenigen Argumente liefern, die den ökologischen Ehrgeiz der Europäischen Union einschränken wollen. Es sei unverantwortlich, die Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels zu verlangsamen. Die EU müsse in Umweltfragen weiterhin eine Vorreiterrolle spielen. Die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft müsse als unausweichlich angesehen werden. Volt Europa fordert sogar noch eine Steigerung der europäischen Klimaambitionen: Es reiche nicht, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, wie es im europäischen Green Deal vorgesehen ist, sondern die EU-Emissionen müssten bis 2030 um 80 Prozent reduziert werden. Daher begrüßt Volt die Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus, um sicherzustellen, dass die Produktion aus Drittländern keinen unfairen Vorteil gegenüber derjenigen europäischer Unternehmen hat. Dass darunter die Ärmsten der Welt leiden würden (wir berichteten hier) spielt offenbar keine Rolle für die pro-europäische Partei.

„Es lebe die Republik und es lebe Frankreich!“

Macron betonte in seiner Rede vom 11. Mai hingegen, dass Frankreich und die Europäische Union bereits über die ehrgeizigste Klimapolitik der Welt verfüge – auch im Vergleich zu den USA und China. Es müsse sichergestellt werden – und hierin ist er sich mit Volt einig –, dass die europäischen Hersteller nicht benachteiligt und Handelsabkommen nur mit Ländern geschlossen würden, die die gleichen Standards in Bezug auf Klimaschutz und Biodiversität haben. Frankreich habe eine stärkere Deindustrialisierung durchgemacht als andere Länder Europas. Es sei zu sehr auf Dienstleistungen, Verwaltung und Tourismus gesetzt worden. Ohne Industrie könne jedoch der ökologische Wandel nicht erfolgreich gestaltet werden. Macron sprach sich daher für eine dekarbonisierte Re-Industrialisierung aus und wies auf den zukünftigen Bedarf an Arbeitsplätzen im Nuklearsektor hin. Die USA seien zwar Verbündete, doch die Europäer wollten nicht zu Konsumenten der amerikanischen Industrie werden und reagierten ihrerseits auf die milliardenschweren Subventionen der USA für grüne Technologien im Rahmen des amerikanischen Inflation Reduction Act. Frankreich sei ein Land mit einer sehr guten Infrastruktur und dadurch ein idealer Industrie- und Investitionsstandort. Die französische Industrie werde im Jahr 2030 dekarbonisiert, digitalisiert und transformiert sein. Grüne Technologien wie Windkraftanlagen, Solarpaneele, Batterien und Wärmepumpen würden deswegen steuerlich gefördert werden. Kurzum: Anstatt ständig neue Vorschriften zu erlassen, solle Europa seine Anstrengungen auf die praktische Anwendung der aktuellen Klimaschutzmaßnahmen konzentrieren. Macron beendete seine Rede mit dem Ausruf: „Es lebe die Republik und es lebe Frankreich!“ Am 16. Mai legte auch der französische Ministerrat einen Gesetzesentwurf für eine grüne Industrie vor, durch den die Re-Industrialisierung Frankreichs beschleunigt werden soll. Darin heißt es: „Der Klimawandel verschärft sich: Die Industrie muss bei der Verringerung ihrer Umweltbelastungen unterstützt und die französische Industrieproduktion, die zu den umweltfreundlichsten der Welt gehört, gefördert werden.“ Und weiter: „Unser Ziel ist klar: Frankreich soll zum führenden Land der grünen Industrie in Europa werden.“ Die Kosten der Dekarbonisierung sollen durch die Mobilisierung von öffentlichen und privaten Mitteln gedeckt werden. Darunter könnte auch die Einführung eines „Klima-Zukunftssparplans für Jugendliche“ fallen. Unternehmen, die ihren ökologischen Verpflichtungen nicht nachkommen, müssten von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Und um den Mangel an Ingenieuren auszugleichen, sollen zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Durch den Plan für die grüne Industrie könnten jährlich so mehr als 2,3 Milliarden Euro für die Transformation von Unternehmen bereit gestellt werden.

„Frankreich first“

Der Ministerrat setzt also ebenfalls auf die Stärkung des Industriestandorts Frankreich und nicht auf das Ausbremsen des Green Deals. Bemerkenswert ist allerdings, dass am 23. Mai der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) von den Abgeordneten des EU-Landwirtschaftsausschusses abgelehnt wurde. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Natur in der Landwirtschaft, den Wäldern, den Ozeanen und den städtischen Gebieten wiederherzustellen. Die Abstimmung am Dienstag war die erste von mehreren Abstimmungen, die den Vorschlag zu Fall bringen und ihn wieder zurück auf den Tisch der Kommission bringen könnten. Am Mittwoch folgte der Fischereiausschuss (PECH) mit seiner Ablehnung, am 15. Juni soll der Umweltausschuss (ENVI) des Europäischen Parlaments abstimmen, und eine endgültige Abstimmung im Plenum wird für Juli erwartet. EU-Vizepräsident Frans Timmermans war darüber offenbar not amused und betonte, dass der Green Deal ein Gesamtpaket sei und man sich nicht „à la carte“ einzelne Teile herauspicken könne. Allerdings sieht sich selbst von der Leyen offenbar gezwungen, einige Gesetze respektive die Geschwindigkeit ihrer Einführung noch einmal zu überdenken, um vor den Europawahlen im Juni nächsten Jahres politischen Gegenwind zu vermeiden. So berichtet es jedenfalls die Financial Times am 16. Mai und zitiert Malte Lohan, Generaldirektor von Orgalim, dem europäischen Handelsverband des verarbeitenden Gewerbes. Lohan sprach demnach von einem „Tsunami von Gesetzesvorschlägen“. Alles in allem habe das, was die Kommission getan habe, der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht geholfen. Auch der Entwurf des Netto-Zero-Industriegesetzes (Net-Zero Industry Act), der von der EU-Kommission im März vorgelegt wurde und darauf abzielt, dass die EU 40 Prozent der für die Energiewende benötigten sauberen Technologien selbst produziert, wird gerade kontrovers diskutiert. Denn die Mitglieder der von Frankreich gegründeten Nukleraen Allianz (darunter Finnland, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Tschechien) setzen sich für die Einbeziehung der Kernenergie ein, während Ursula von der Leyen herself zwar zugibt, dass die Kernenergie eine Rolle in den Bemühungen zur Dekarbonisierung spielen kann, sie jedoch nicht als „strategisch für die Zukunft“ erachtet. Der Streit um die Kernenergie hatte am 17. Mai dazu geführt, dass die Abstimmung über die Richtlinie über erneuerbare Energien (RED) einstweilig verschoben worden ist, da Frankreich die Anerkennung von sauberem Wasserstoff zur Dekarbonisierung der europäischen Industrie durchsetzen wollte. Und auch die deutsch-französische parlamentarische Versammlung am 22. Mai in Straßburg wurde von Differenzen beim Thema Kernenergie überschattet. 

Fazit: Im Grunde ging es Macron mit seiner Forderung einer „Regulierungspause“ in erster Linie um die Anerkennung von Kernenergie als erneuerbare Energiequelle und um Werbung für Frankreich als Industriestandort – also um „Frankreich first“. 

Doch mit seiner Äußerung hat er offensichtlich Bewegung in die EU-Klimapolitik gebracht.

Quelle: Achgut.com Bilder: emmanuel-macron-Pixabay -gregroose

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