Dichtung und Wahrheit im Trump-Wahlkampf…

Die Berichterstattung über Donald Trump und den US-Wahlkampf ist in deutschen Medien oft von Wunschdenken und vielfach von Vorurteilen geprägt.

Der Achgut Autor Roger Letsch berichtet ab sofort zur Wahl regelmäßig über Dichtung und Wahrheit In Sachen Trump.

Wenn es nach der Einschätzung der deutschen Leitmedien geht, ist die Präsidentschaftswahl 2024 in den USA bereits so gut wie gelaufen.

Man vertraut darauf, dass mindestens einer der Prozesse gegen Bidens Herausforderer Trump mit einem Schuldspruch enden wird, was diesem so viel Unterstützung bei unabhängigen Wählern kosten könnte, dass es noch einmal reichen möge für Biden.

Und in der Tat zeigen in diese Richtung gehende Umfragen, dass die Amerikaner Probleme damit haben, einen „verurteilten Verbrecher“ ins höchste politische Amt zu wählen. Mit der Meldung einer Verurteilung vor der Wahl würden die Medien sofort auf und davon eilen und selbst wenn keines der Urteile wirklich rechtskräftig wäre und in Berufungsverfahren mit großer Erfolgsaussicht angefochten würde, wäre sonnenklar, wie die Botschaft in jeder Schlagzeile bis zur Wahl lauten würde: Orange Man Bad!

Nimmt man den Aspekt der gegen Trump laufenden Prozesse heraus, ergibt sich allerdings ein gänzlich anderes Lagebild der Wählersympathie. Biden ist in den entscheidenden Swing-States selbst in den Umfragen der ihm wohlgesonnenen New York Times knietief unter Wasser. In Nevada ist der Wasserstand mit plus 13 Prozent für Trump mit „kinntief“ sogar noch besser beschrieben.

Doch Maiumfragen sind für eine Novemberwahl bekanntlich so relevant wie Spargelpreise für ein Weihnachtsessen. Die Frage ist, wie wirken sich die Gerichtsverfahren auf den Trend aus und helfen sie Trump womöglich mehr, als sie ihm schaden, zumindest so lange, bis es zu einem Schuldspruch kommt. Der sogenannte „Hush-Money-Fall“ in New York City ist natürlich gerade das ganz große Ding, doch schon die Bezeichnung enthält eine Irreführung. Es geht nämlich nicht wirklich um das „none disclosure agreement“, welches Trump im Jahr 2016 mit „Stormy Daniels“ schloss.

Solche Verträge sind aus allen möglichen Gründen üblich. A weiß etwas über B und B möchte nicht, dass C davon erfährt. C kann die Öffentlichkeit sein, ein Partner oder auch ein Mitbewerber. Jeder der Kommentatoren, die sich bei CNN, MSNBC oder dem Spiegel ob der Geschichte das Maul zerreißen, hat selbst solche Geheimhaltungsverträge unterzeichnet. Gerade amerikanische Mediennetzwerke sind bekannt dafür, dass ihre Arbeitsverträge vor allen Dingen festlegen, was ein Journalist oder einer ihrer Anchor alles nicht sagen darf.

Zwölf Geschworene aus New York City

Das Vergehen liegt in der Behauptung, die Aufwendungen seien im Trump-Tower falsch verbucht worden. Und zwar als „legal expenses“ statt als Aufwendungen für den Wahlkampf. Eine Ordnungswidrigkeit, wenn überhaupt. Und überhaupt schon längst verjährt… es sei denn… man versucht dadurch ein noch viel größeres Verbrechen zu verschleiern. Welches genau das sein könnte, versucht die Anklage unter großen Mühen herbeizukonstruieren. 

Nur um das Henne-Ei-Problem mal deutlich zu machen, stelle man sich folgendes vor:

Rubriziert die Buchhaltung im Trump-Tower die Zahlung korrekt als „Schweigegeld an Pornostar wegen Affäre“, wäre das wohl wenig effektiv angesichts des öffentlichen Interesses an Trump.

Hätte man noch dazu vermerkt, dass es sich (wie unterstellt wird) um Ausgaben für den laufenden Wahlkampf handelt, wäre das Betrug.

Denn man kann im Wahlkampf nur als Wahlkampfmittel deklarieren, was ausschließlich und allein diesem Wahlkampf dient und nichts anderem.

Bestes Beispiel:

Der maßgeschneiderte Anzug, den sich ein Kandidat vielleicht nur zu dem Zweck anschafft, in einer Wahlkampfdebatte zu glänzen, kann dennoch nicht aus der Wahlkasse bezahlt werden, weil man Anzüge nun mal nicht zu Wahlkampfdebatten trägt. Der Zweck der Anschaffung, die möglichen Hintergedanken oder die beabsichtigte Wirkung auf den Wähler sind völlig irrelevant für diese Frage. Ebenso für die Frage, aus welchen Gründen A eine Affäre mit B vor C verheimlichen will. Denn C kann durchaus eine Ehefrau sein, die Geschichte ist wohl voll genug mit Präzedenzfällen.

Doch im Grunde können wir das alles ohnehin vergessen, weil nicht Argumente und eloquente Rechtsauslegungen diesen Fall entscheiden werden, sondern zwölf Geschworene aus New York City, wo die Wahrscheinlichkeit, auf einen Unterstützer von Trump zu treffen, kaum besser als die eines Lottogewinns ist.

Das Beste, was Trump erwarten kann, ist deshalb eine „hung jury“, weil sich ein oder zwei Geschworene dem erwarteten Edikt verweigern.

Zwar würde ein Urteil zu seinen Ungunsten mit Sicherheit von einem Berufungsgericht kassiert, doch das würde erst lange nach der Wahl im November erfolgen, wenn der Schaden bereits angerichtet ist. 

Gestandene Fans der Demokraten haben mittlerweile Zweifel

Doch ganz so verheerend ist der Prozess für Trump nun auch wieder nicht. Selbst in die Berichterstattung der Mainstream-Medien mischen sich kritische Töne, die Zweifel an Prozessführung, der Anklage und der Glaubwürdigkeit der Zeugen nehmen zu. Man kann die Anklage nämlich auch umdrehen, wenn man wie Trumps Verteidiger ins Kalkül zieht, dass Daniels 2016 noch schnell Kasse machen wollte, bevor Trump ins Weiße Haus einzieht. Dann wäre aus dem „Hush-Money“ schnell mal Erpressung geworden.

Der nächste „Wirkkomplex“ betrifft die Prozessführung, die aufgerufenen Zeugen und die zugelassenen Fragen. Zur Erinnerung: Es geht um eine vermeintlich falsch deklarierte Buchung, eine Frage also, zu der Daniels so rein gar nichts Erhellendes beizutragen hat. Ebenso irrelevant sind natürlich Fragen an Daniels rund um das womöglich stattgefundene „Treffen“ mit Trump. Kein Detail zu Trumps Unterwäsche und seinen bevorzugten Stellungen hat irgendeine Relevanz, sondern dient lediglich zu Genugtuung und Amüsement sowie dazu, Trump möglichst noch im Gerichtssaal zum Platzen zu bringen oder die Befürchtung zu erzeugen, dieser könne angesichts der erlittenen Demütigungen nach seiner Wiederwahl gar nicht anders, als endlich das Monster zu werden, als welches man ihn medial seit Jahren zu zeichnen versucht. 

Das Spiel heißt „Poke the Bear“ und dem Publikum soll vor Augen stehen, was passiert, wenn der Käfig offensteht. Doch die Gefahr ist groß und wird täglich größer, dass dem Publikum die Behandlung des Bären nicht gefällt. Selbst gestandene Fans und Unterstützer der Demokraten haben mittlerweile Zweifel, dass die beabsichtigte Wirkung eintrete. Man braucht nur CNN zu schauen, um Analysten wie Fareed Zakaria die Verzweiflung angesichts der scheiternden Strategie im Gesicht stehen zu sehen. Auch er sehe, dass die Prozesse gegen Trump eindeutig politisch motiviert sind. Ja, er bezweifle, dass der Prozess in New York gegen irgend jemanden geführt werden würde, dessen Name nicht Trump sei.

Clockwork „Orange Man Bored“

Und Trump selbst? Der Richter hat die Live-Übertragung aus seinem Gerichtssaal abgelehnt. Die Öffentlichkeit ist also auf zeitversetzte Wortprotokolle, Audio-Mitschnitte, Gerichtszeichner und Augenzeugenberichte angewiesen. Letztere schwanken zwischen den Niveaus „Oh mein Gott, er hat zu mir herübergeblickt! Sicher wird er mich jetzt umbringen wollen!“ und „Er hat die Stirn gerunzelt und dann gefurzt“. Ersteres rückt natürlich die Augenzeugen des Prozesses selbst ins Zentrum des Interesses, letzteres geht nicht nur direkt ad hominem, sondern langweilt die Zuschauer, die sich die breit angewalzten Kommentare über Fürze und kleine Schläfchen dann anhören müssen, zunehmend.

Kombiniert man das Ganze noch mit den Injurien, die der Kronzeuge der Anklage, Trumps ehemaligen „Fixer“ – also der Mann, der Dinge repariert, die er vorher oft selbst kaputtgemacht hat – und verurteilte Betrüger Michael Cohen auf seinem TikTok-Kanal und im Gericht über seinen ehemaligen Chef verbreitet („von ShitzInPants“, Cohen über Trump), ist das Verfahren endgültig auf Gossip-Niveau angekommen. Das Problem ist nur, dass Trumps Fans das völlig gleichgültig ist und seine Gegner ihn dort ohnehin erwarten.

Nichts, was jetzt gesagt wird, kann dem Urteil der öffentlichen Meinung eine Qualität hinzufügen. Man kann Trump-Hater nicht von ihrem Hass heilen. Über Trump ist alles gesagt, behauptet und vermutet, was es zu raunen und orakeln gibt. Dieser „Schlimmer als Hitler“, dieses „Ende der Demokratie“, der „Diktator“ und „Weltuntergang“ sitzt nun aber an mehreren Tagen der Woche in einem Gerichtssaal in Manhattan fest, schüttelt den Kopf, lässt die Tiraden über sich ergehen, schließt die Augen oder blickt gelangweilt, während das Kommentariat ein Horrorszenario nach dem anderen vor dem immer weniger verängstigten Publikum ausrollt, sollte Trump jemals wieder an die Macht kommen. Nur: Wer glaubt noch all die Unterstellungen, die vom Prozess selbst als reine Projektionen entlarvt werden?

Der Gerichtsprozess spult sich einem Uhrwerk gleich ab. Trump sitzt darin als Rädchen fest, und da er an den Gerichtstagen vom Richter zur Anwesenheit verdonnert ist, kommt er kaum zu Wahlkampf-Auftritten, aus denen die Medien dann durch Weglassungen und Betonungen absichtsvolle Mosaike schnippeln können. Ein verlesenes Statement am Ende des Verhandlungstages ist oft alles, was man von Trump zu hören bekommt. Auf seiner Social Media Plattform „Truth Social“ überlässt er das „Twittern“ mittlerweile offensichtlich seinem PR-Team.

Biden schwimmen die Felle davon

Die Posts sind zwar kaum weniger scharf als früher, aber sehr viel stringenter und konzentrierter. Außerdem – und das ist das sicherste Zeichen einer verbesserten Strategie – brüllt der sein Publikum nicht mehr in Versalien an. Kurz: Je weniger Trump selbst zu Wort kommt, umso besser für seine Umfragen und das Bild, welches er in der Öffentlichkeit abgibt. Bei Präsident Biden verhält es sich genau umgekehrt. Eine Wirkung, die den Anklägern und Team Biden kaum recht sein kann.

Und Biden? Da ihm in den Umfragen die Felle davonschwimmen und die Prozesse gegen Trump nicht so laufen, wie sie sollen, greift er nun zum äußersten: Er fordert Trump zur Debatte heraus. Das ist insofern interessant, weil bislang galt, dass er nicht mit einem „verurteilten Verbrecher“ debattieren wolle. Er geht also entweder davon aus, dass am 27. Juni, wenn das erste Aufeinandertreffen stattfinden soll, noch kein Urteil ergangen ist, oder dass Trump den Prozess vielleicht sogar gewinnt. Doch wie dem auch sei, eine Debatte gegen Trump wird für Biden sicher kein 14-Sekunden-Auftritt mit mehreren Schnitten wie in seiner X-Herausforderung. 

Bidens Verzweiflung dürfte also recht groß sein. Der Parteitag der Dems, auf welchem Biden offiziell zum Kandidaten seiner Partei gekürt werden soll, ist nach der Debatte, am 19. August. Gut möglich, dass sich die Demokraten das mit Bidens Nominierung noch mal gut überlegen werden. Gut möglich auch, dass man beim DNC (Democratic National Committee) noch ganz andere Pläne hat. Und während wir alle wie gebannt schauen, was der „Magier DNC“ mit der rechten Hand, dem Trump-Kaninchen und dem Zylinder tut, verlieren wir die linke Hand aus dem Auge, die womöglich gerade in Texas unterwegs ist. Doch dazu später mehr.

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