Von Anna Maria Hummel
Bis vor einigen Wochen war ich der Ansicht, dass es sinnvoll ist, kein Auto zu haben und mit der Bahn zu fahren – wegen des Klimas.
Das war ganz schön naiv von mir.
Bislang hatte ich gut angebunden in Frankfurt am Main gewohnt. Da fiel zwar auch mal die Bahn aus, aber irgendwie kam man immer vom Fleck, und sei es nur mit einem Elektroroller.
Allerdings lebte ich in Frankfurt nicht preisgünstig, konnte mir die Miete dort kaum leisten.
Also zog ich um, dorthin, wo sich eine Jungköchin – ich bin 22 Jahre alt – noch halbwegs eine Wohnung leisten kann.
Jetzt lebe ich seit einiger Zeit im Frankfurter Umland, etwa 20 Kilometer und knapp 40 Minuten Bahnfahrt von der Metropole entfernt, habe dort eine 60-Quadratmeter-Wohnung, die ich mir in Frankfurt selbst mit einem Vollgehalt nicht leisten könnte.
Dafür musste ich pendeln, was ich in Kauf nehmen wollte. Die Deutsche Bahn würde mich schon in die Stadt bringen – zu meinem Arbeitgeber, den ich auch noch nicht so lange hatte. Ich war also noch in der Probezeit.
Arbeitsbeginn war bei mir um 6:30 Uhr.
Für mich bedeutete das, dass ich den ersten Zug um 5 Uhr nehmen musste. Es ist zwar hart, so früh aufzustehen, aber alternativlos. Ich habe ja nicht mal einen Führerschein, meine Lebensrealität machte Autofahren nie nötig. Außerdem wollte ich das ohnehin nicht, denn das Klima dankt es uns. So dachte ich bis neulich.
Auf dem Bahnsteig angekommen, kam der erste Zug des Morgens häufig nicht. Informationen gab es keine, also musste ich auf den nächsten Zug ausweichen. Und schon kam ich zu spät zur Arbeit. So ging das dauernd, später guckte ich, noch im Bett liegend, ob die App den 5-Uhr-Zug anzeigte. Oft fiel er aus, ich blieb liegen und plante gleich den nächsten Zug. Wöchentlich mehrmals musste ich meinen Chef anrufen und meine Verspätung anzeigen. Er zeigte sich verständig, erfreut war er natürlich dennoch nicht.
So ging das wochenlang, ich war öfter zu spät als pünktlich. Einmal kam der Zug, dann sagte man nach kurzer Fahrt durch, dass hier Endstation sei – wegen eines kurzfristigen Krankheitsfalles. Also war ich doch wieder zu spät dran. Meine Verspätungszeiten häuften sich an – in der Probezeit.
Klar, wie das enden musste: Man entließ mich, Kündigung während der Probezeit.
An einem Tag lief es aber besonders rund für mich. Als der große Warnstreiktag war nämlich. Ich glaubte, nicht zur Arbeit zu können, fast alle Verbindungen fielen aus. Aber ich war pünktlich, wenige Züge fuhren, sogar der 5-Uhr-Zug. Können die Lokführer nicht immer streiken? Vielleicht hätte ich dann meinen Arbeitsplatz noch.
Den habe ich nicht wegen streikender Bahnmitarbeiter verloren, sondern wegen einer Bahn, die im Dienst ist und nicht kommt. Danke, Deutsche Bahn! Für nichts! Da habe ich mich dummerweise auf die Schiene verlassen, mir gedacht, ich mache was Gutes und bin am Ende doch die Dumme. Bin ja auch selbst schuld, dass ich ins Umland zog, wo ich mir die Miete noch leisten kann. Wenn das die Verkehrswende ist, retten wir das Klima und die Umwelt niemals.
Nun sitze ich in meinem Ort, wo ich nur schwer einen Job bekommen kann – muss mich also weiter auf Frankfurt fokussieren, weiß aber nicht, wie zuverlässig ich an die Arbeitsstelle gelangen kann. Der Führerschein steht also auf meiner Agenda. Klimarettung ist für mich vorbei, ich muss Geld verdienen, da kann ich keine Rücksichten nehmen. Auf die Bahn kann ich mich nicht mehr verlassen. Es war die Bahn, die mich verlassen hat.
Es ist ein Dilemma, in dem ich mich befinde. Wir sind doch gar nicht ausgestattet, um Umweltschutz zu betreiben. Die Bahn ist das beste Argument für ein Auto. Das konnte ich nicht ahnen, als ich noch in der Großstadt lebte, da glaubte ich in meiner Unwissenheit, das ganze Land könne auf das Auto verzichten. Aber es ist die Bahn, auf die man verzichten kann, wenn man auf dem Land lebt.
Nun bin ich arbeitslos.
Vielleicht sollte ich mich bei der Deutschen Bahn in Frankfurt bewerben, aber womöglich käme ich immer zu spät zur Schicht und die Bahn würde mich kündigen, weil mich ihre eigenen Züge nicht fahrplangemäß in der Stadt absetzen würden.
Senk ju vor nassing, Deutsche Bahn!
Quelle: Nachdenkseiten.de
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