Sie galt als politisches Ausnahmetalent
und die große Hoffnung der österreichischen Grünen in der anstehenden EU-Wahl
– nun steht sie als intrigante Lügnerin da. Die ehemalige Fridays-For-Future-Aktivistin Lena Schilling hat nach einem Raketenstart in die Politik nun mit einem möglichen Absturz zu kämpfen, nachdem der Standard am Dienstag schwere Vorwürfe gegen Schilling in einer Reportage veröffentlichte.
Für Lena muss das eine seltsame neue Erfahrung sein. Bisher hatte sie die Mainstream-Medien ihres Landes eigentlich hinter sich. Von FM4 etwa, einem Jugendradiosender des Österreichischen Rundfunks (ÖRF) wurde sie Anfang 2021 als „die vielleicht politisch aktivste junge Frau des Landes“ bezeichnet. Bis Anfang des Jahres hatte sie eine eigene wöchentliche Kolumne bei der Kronen Zeitung.
Ironischerweise hatte ihr letzter Artikel – den sie wohl in der Zeitung veröffentlichen musste, weil er für Twitter drei Zeichen zu lang war – den Titel „Skandalpartei“. Darin rechnete sie mit der FPÖ ab, die sich über die unehrlichen Medien beschwere, obwohl verschiedene Funktionäre sich selbst nicht an ihr Wort halten würden. Nun ist es Lena Schilling, die von unehrlichen Medien spricht, obwohl sie sich – den Anschuldigungen zu Folge – nicht an ihr eigenes Wort hält.
Alles nur Sexismus?
Nichts als „Gerüchte“, „Gefurze“ und „dreckige Kampagne“, heißt es zu den Vorwürfen gegen Schilling von Seiten der Grünen, die sich hinter Schilling stellt – oder eher vor sie. In einer Pressekonferenz, die Schilling mit vier weiteren Gesichtern der österreichischen Grünen gab, verschwand sie zeitweise hinter dem Vizekanzler Werner Kogler, der auf eine Frage, die eigentlich hauptsächlich an sie gerichtet war, zuerst antwortete, nach dem sie ihn hilflos angeblinzelt hatte.
Gestellt wurde diese Frage von einer Journalistin des Standards. Sie wollte wissen, was genau an der Reportage ihres Hauses denn unwahr sein soll und ob man den Standardebenfalls als Teil der vermeintlichen Kampagne gegen Schilling sehen würde. Die Grünen-Vertreter schüttelten eifrig dem Kopf. Auf die Frage nach der Unwahrheit gingen sie nicht ein.
Für eine Regierungspartei im Wahlkampf ist die Verteidigungsstrategie der Grünen tatsächlich sehr schwach: Es würde sich nur um eine (sexistische) Kampagne handeln, mit dem Ziel eine junge Frau zum Fall zu bringen. Außerdem beruhten die Vorwürfe ja nur auf Gerüchten, die aus dem Kontext gerissen seien.
Gleichzeitig traut man sich aber nicht, den Standard anzugreifen – der diese vermeintlichen Gerüchte ja als erstes in die Welt gesetzt hat und somit denklogisch die Kampagne anführen müsste. Und welche Gerüchte denn nun genau falsch sind und wie es wirklich war, will man auch nicht verraten. „Ich möchte eigentlich inhaltlich nicht drauf eingehen, weil ich über Inhalte reden mag.“, erklärt Schilling auf ihrer Pressekonferenz.
Opfer melden sich zu Wort
„Ich hoffe das ist akzeptabel, dass mein Privatleben auch noch mein Privatleben ist.“, schließt Lena Schilling ihr Statement ab. Doch nichts an der Geschichte ist privat. Einen ehemaligen Kollegen von ihr hat die Geschichte den Posten gekostet. Einen Journalisten hätte es den Job kosten können. Wenn Lena Privatssphäre für ihre Taten fordert, ist das etwas, das sie den Opfern ihrer vermeintlichen Lügen nicht gegönnt hat.
Nur die Unterlassungserklärung, die Lena Schilling selbst unterschrieben hat, könnte man Lenas Privatsphäre zuweisen. Immerhin geht es hier ja um eine ehemals gute Freundin und ihr Familienleben. Lena Schilling hatte sich verpflichtet es zu unterlassen, weiter über den Ehemann ihrer Freundin zu behaupten, er würde seine Frau misshandeln und hätte so eine Fehlgeburt – also den Tod seines eigenen ungeborenen Kindes – zu verantworten.
Doch wie sich nun herausstellt, ist auch das nicht so privat, wie es aus Gründen des Identitätsschutzes der Opfer erstmal wirkt. Denn die Opfer verzichten nun auf ihre Anonymität – und auch sie haben mit Schilling beruflich zu tun. Veronika Bohrn Mena hat sich zu Wort gemeldet und bestätigt: Sie ist die Frau, die angeblich Opfer häuslicher Gewalt wurde. Der Mann, über den Lena behauptet haben soll, er hätte sein Kind getötet, ist demnach Sebastian Bohrn Mena.
Sorgen um ihren psychischen Zustand?
Beide sind in Österreich als Autoren und führend in der gemeinnützigen Bundesstiftung Común aktiv, sie haben einen Sohn. Veronika Bohrn Mena hatte mit Lena Schilling insbesondere eng zusammen gearbeitet, als sie sich für die Einführung des Lieferkettengesetzes einsetzten. Bohrn Mena bezeichnete Lena Schilling einst als „großartige junge Frau“. Die Fotos, auf denen die beiden in die Kamera lächeln, sind auf ihrem Account immer noch online.
Hätte die Geschichte über die häusliche Gewalt und die Fehlgeburt so erfolgreich die Runde gemacht, wie die anderen Gerüchte, die sie gestreut haben soll, hätte sie nicht nur das Privat- und Familienleben einer angeblich guten Freundin zerstört, sondern auch das Leben eines Mannes. Von Seiten der Grünen leugnete man nicht mal, dass Lena diese Gerüchte gestreut hat, man fügt nur schlichtend hinzu, sie hätte es aus Sorge um ihre Freundin getan.
Veronika Bohrn Mena schrieb selbst auf Twitter: „Warum Lena diese furchtbaren Vorwürfe frei erfunden hat, weiß sie selbst. Ich weiß es auch und es hatte nicht mit Sorge um mich oder meine Familie zu tun.“ Ihr Mann äußerte sich unter anderem auf Instagram zu der Reportage des Standards, wo er schrieb, er kenne Lena Schilling seit sie 17 Jahre alt ist und habe sie bisher immer unterstützt. Er hätte aber feststellen müssen, dass er sich in ihr getäuscht habe. Das bezeichnete er als „wohl eine der größten Enttäuschungen meines Lebens“.
Auf Twitter bedankte er sich für die Anteilnahme, die er auch aus Kreisen der Grünen nun erfahren würde. „Wir haben uns immer nur gegen bösartige Lügen gewehrt.“, kommentiert er dort. Und schreibt außerdem: „Wir wissen auch, wie es Lena geht und machen uns seit Wochen große Sorgen um sie. Ich hoffe, dass sie die Unterstützung erhält, die sie braucht.“
Es mag noch nicht lückenlos bewiesen sein, ob Schilling wirklich all das getan hat, was der Standard über sie schreibt. Doch mit einem hat er schon mal Recht: Sie hat „verbrannte Erde“ hinterlassen. Warum sie aber ausschließlich in ihrem eigenen Lager zündelt, weiß wohl wirklich nur sie selbst.
Quelle: Apollo News
Bild: Netz