Ein Podcast und Kommentar von Tom J. Wellbrock für Apolut.net
Kürzlich war auf den NachDenkSeiten ein kleines Essay zu lesen (1).
Darin kam die Ratlosigkeit des Autors Jens Berger zum Vorschein, die mich an meine eigene erinnerte.
Einerseits ist die Wahl offen wie selten, die Spitzenpositionen wechseln fast schon täglich.
Andererseits fragt man sich: Ja, und? Die programmatischen Unterschiede sind dahin.
Was also tun?
Bittere Pillen in der Pralinenschachtel
Berger verwendete den Begriff der Pralinenschachtel, der einst von der Kunstfigur Forrest Gump geprägt wurde. Das Problem an dieser Schachtel ist der Inhalt. Denn statt süßer Schokohäppchen in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen finden wir einen bunten Haufen bitterer Pillen.
Wir Wähler müssen nun – vorausgesetzt, wir vertrauen dem Prozess des Wählens überhaupt noch – entscheiden, nach welchen Kriterien wir unsere Wahlentscheidung treffen. Politik und Medien sind uns dabei nicht behilflich, und damit sind wir schon beim ersten Problem.
Corona oder die Rente?
Eines zeichnet sich überdeutlich ab: Für die Politik im Wahlkampf ist die Krise zumindest zwischenzeitlich beendet. In Triells, Wahlarenen oder Faktenchecks spielt Corona einfach keine Rolle. Und auch der Wahl-O-Mat (2) schweigt sich zum Thema Nummer 1 schlicht aus. Wir müssen also einsehen, dass unsere Wahlentscheidung unabhängig von Corona getroffen wird. So vermitteln es uns zumindest Politik und Medien.
Das ist strategisch vielleicht nicht dumm, zeigt aber die Ignoranz und das Desinteresse der Politik am Wahlvolk. Und es ist infantil, vergleichbar mit dem kleinen Kind, das sich die Augen zuhält und davon ausgeht, nun von niemandem mehr gesehen zu werden. Corona ist nicht weg, und es ist ja ausgerechnet die Politik, die uns das täglich vorbetet. Aber irgendwie eben doch, weil die Krise in den Wahlkampfreden einfach keine Rolle spielt.
Müssen wir uns also entscheiden, ob wir unser Kreuz basierend auf der verheerenden Politik der letzten anderthalb Jahre machen? Oder doch eher auf der Grundlage programmatischer Punkte wie zum Beispiel der Rentenpolitik?
Die Rente ist sicher … nicht sicher
Es waren ebenfalls die NachDenkSeiten, die in einer kleinen Serie die programmatischen Unterschiede der Parteiprogramme herausgearbeitet haben. Und die gibt es durchaus. Auf dem Papier.
Andererseits erleben wir seit zig Jahren eine Politik, die kollektiv in eine Richtung führt: Privatisierungen und Abbau sozialer Errungenschaften wie zum Beispiel der gesetzlichen Rente. Einzig die Linke hat sich immer wieder damit hervorgetan, die soziale Frage in den Vordergrund zu stellen (dabei geradezu rekordverdächtig ausdauernd: Sahra Wagenknecht). Und auch in Sachen Friedenspolitik war die Linke lange standhaft. Jetzt aber wird auf eine sich selbst untreu werdende Art und Weise über die NATO diskutiert, und die Partei zeigt sich offen, die eine oder andere rote Linie ein kleines bisschen zu verschieben, wenn dabei denn womöglich eine Regierungsbeteiligung herauskommt.
Der eigentliche Punkt dabei: Für die Partei „die Linke“ gilt, wie für alle anderen Parteien auch, dass das Wahlprogramm heute mehr denn je nichts weiter als ein Schmierzettel ist, auf dem nach der Wahl munter radiert, durchgestrichen und verändert wird. Am Ende wird – das hat gewissermaßen Tradition – nicht mehr viel übrig bleiben von den Argumenten, die uns zur Wahl der einen oder anderen Partei geführt haben.
Selbst mit einer Regierungsbeteiligung kann man davon ausgehen, dass die Privatisierung der gesetzlichen Rente durch die Linke nicht gestoppt werden kann. Und das hängt in erster Linie damit zusammen, dass die Entscheidung zur Privatisierung der Rente schon vor langer Zeit gefällt wurde und dahinter eine Lobby steht, die sich von der Bundesregierung – in welcher Farbkonstellation auch immer sie sich aufstellt – ganz sicher nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.
Das ist ein systembedingtes grundlegendes Problem, das sich nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen lässt. Die Rente ist hier nur ein Beispiel von vielen, aber sie macht deutlich, dass ein Zurück zu einer umlagefinanzierten Rente nicht nur unmöglich erscheint, sondern mit jedem Tag und jeder Bundesregierung in weitere Ferne rückt.
Bloß nicht unterschätzen: die Corona-Politik
Auch wenn Politik und Medien so tun, als spiele Corona für die Wahlentscheidung keine Rolle, ist natürlich das glatte Gegenteil der Fall. Während wir zu vergangenen Zeiten tatsächlich programmatisch entscheiden konnten (mit all den Tücken, Stichwort: Schmierzettel), müssen wir uns jetzt mit zwei großen Themenfeldern beschäftigen.
Die programmatische Problematik wurde eben angedeutet. Fehlt also noch die „coronatische“. Und die hat es in sich. Denn wenn wir die Krise einmal Revue passieren lassen, müssen wir festhalten, dass am vorläufigen Ende (das längst nicht das endgültige ist!) faktisch keine positive Leistung der Politik auszumachen ist. Das Krisenmanagement war und ist verheerend, Korruption, Inkompetenz, Engstirnigkeit und Verfälschungen von Tatsachen gehen Hand in Hand miteinander. Weder die zuständigen Politiker noch die angeheuerten Wissenschaftler haben es geschafft, einen Weg aus der Krise zu finden, der die Gefühlslage der Bevölkerung angemessen mit einbeziehen konnte (oder: wollte).
Die schlimmsten Verbrechen finden weiterhin statt, in erster Linie an den Kindern. Sie werden in vollem Bewusstsein zur Risikogruppe erklärt, die nur gerettet werden kann, wenn sie großflächig durchgeimpft wird. Entgegen jeder Evidenz erleben wir hier ein Experiment an den Kleinsten unserer Gesellschaft, das Folgen haben kann, die alles in den Schatten stellen könnte, was wir bisher kannten.
Und das ist keine Panikmache. Denn es ist schier unmöglich abzuschätzen, welche mittel- und langfristigen Auswirkungen die Impfungen auf die verschiedenen Bereiche der kindlichen Entwicklung haben werden. Das Argument kann im Übrigen nicht einmal mit der theoretischen Möglichkeit entkräftet werden, dass am Ende alles gut geht. Denn es bleibt ein Stochern im Nebel, das im besten Fall folgenlos oder mit erträglichen Folgen überstanden wird. Im schlimmsten Fall aber erleben wir demnächst oder in ein paar Jahren eine Katastrophe, die dann nicht mehr rückgängig zu machen sein wird. Mit Konsequenzen, die heute viel zu abstrakt sind, um ihre Bedeutung auch nur ansatzweise beurteilen zu können.
Das Wahlrecht – und ein paar andere Rechte
Das Wahlrecht also. Haben wir. Schön. Besser als keines zu haben. Aber wie sieht es sonst so aus mit unseren Rechten?
Sie wurden uns entzogen, mal mehr, mal weniger. Alles für die Gesundheit. Ob dieses Entziehen von Grundrechten angemessen oder verhältnismäßig war und ist, spielt in der Debatte kaum eine Rolle. Wenn Merkel in einer Videoansprache in einem Nebensatz den Hinweis „Das ist eine angemessene und verhältnismäßige Handlung“ gibt, muss das reichen. Sie sagt so etwas natürlich nicht, weil sie inhaltlich davon überzeugt ist, sondern weil sie rechtlichen Schritten dagegen vorgreifen will.
Und die Gerichte haben sich inzwischen ja auch eingerichtet in einem Raum, der an vielen Stellen rechtsfrei geworden ist. Wenn Stephan Harbarth (CDU) als Präsident des Bundesverfassungsgerichts mit Merkel diniert, obwohl gerade eine Klage gegen sie läuft, kann man davon ausgehen, dass beide nicht über die Schönheit der Alpen sprechen.
Demonstrationen, die sich gegen die Corona-Politik richten, sind inzwischen kategorisch verboten. Man muss sich das bewusst machen, und es ist zu befürchten, dass genau das in weiten Teilen der Bevölkerung nicht passiert. Schon beim „Hambacher Fest“ 1832 war es ein harter Kampf, öffentlich zu demonstrieren. Und seitdem zieht sich die Thematik durch die Gesellschaften, die immer wieder mit dem Demonstrations-, bzw. Versammlungsrecht haderten.
Genau genommen kann eine Versammlung überhaupt nicht verboten werden. Es gilt zwar (unter freiem Himmel), die Pflicht, sie anzumelden. Einer Genehmigung bedarf es aber nicht. Es sei denn … ja, es sei denn, die öffentliche Sicherheit ist gefährdet. Und damit argumentiert die Politik, wenn sie unterstellt, eine Demo gegen die Corona-Politik sei aus Sicherheitsgründen zu verbieten.
Im sogenannten „Brokdorf-Beschluss“ stellte das Bundesverfassungsgericht 1985 fest:
In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem Einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflussnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen.
Nun könnte man einwenden, dass im Zeitalter des Internets durchaus die Möglichkeit direkter Einflussnahme besteht, kann sich doch jeder jederzeit äußern und statt die Nähe zu Medien zu suchen, selbst eines werden. Doch das ist kurzsichtig. Denn selbst Medien mit beachtlicher Reichweite, die man als alternativ bezeichnet, haben nicht einmal ansatzweise die Ressourcen für direkte Einflussnahme wie die klassischen Medien.
Der Punkt ist aber, dass in dieser Krise Versammlungen sehr selektiv verboten oder zugelassen werden. Es ist offenkundig, dass alles, was der Corona-Politik kritisch gegenübersteht, inzwischen in nahezu jedem Fall verboten wird. Mit der Aussicht auf mögliche Verletzungen der Hygieneregeln. Das Verbot erfolgt also nicht als Folge einer Tat, sondern durch die Annahme, dass eine Tat stattfindet. Da denkt man doch spontan an den Film „Minority Report“ (3).
Das wirklich Erschreckende an der derzeitigen Praxis von Politik und Gerichten im Zusammenhang mit Versammlungen ist die Geschichtsvergessenheit, mit der hier agiert wird. Nach Gutsherrenart werden Demos verboten, andere aber erlaubt. Sind sie dem Staat genehm, dürfen die Leute raus, auch unter Verletzung der Regeln. Passen sie ihm dagegen nicht, wird verboten und notfalls geprügelt, was das Zeug hält.
Und damit sind wir zurück am Ausgangspunkt der kommenden Bundestagswahl.
Was wählen?
Es scheint zwar im Jahr 2021 in Mode zu sein, Wahlempfehlungen auszusprechen. Ebenso wie der Hinweis darauf, dass diese Wahl womöglich die letzte Chance gegen die Klimakatastrophe ist. Wir müssen also so oder so wählen, sonst werden wir alle sterben. Beides reicht aber nicht aus, um auch an dieser Stelle Werbung für eine bestimmte Partei zu machen.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Welches Thema ist oder welche Themen sind so wichtig, dass sich daraus die Entscheidung für die Stimmabgabe ergibt?
Womit wir dann zurück sind beim Artikel der NachDenkSeiten und der darin beschriebenen Ratlosigkeit.
Für Unterstützer der Corona-Politik ist die Wahl einfacher. Wer das bisherige Krisenmanagement der Bundesregierung und der Landesregierungen gutheißt und unterstützt, hat die freie Auswahl. Lediglich ein paar kritische Stimmen aus der AfD oder der FDP trüben das Bild ein wenig, aber alles in allem ist die Gleichförmigkeit der etablierten Parteien eklatant.
Kritiker der Corona-Politik haben es schwer. Wollen sie all das, was Bundes- und Landesregierungen realisiert haben, von der Wahlentscheidung abkoppeln? Das ist eigentlich nicht möglich, wenn man sich klarmacht, was für weitreichende Konsequenzen uns noch bevorstehen. Denn die Geschichte lehrt uns, dass das Aussprechen von Einschränkungen deutlich einfacher ist als es später wieder zurückzunehmen. Als Kritiker der Corona-Politik muss man also diese Aspekte mit einbeziehen.
Dann allerdings bleibt eigentlich keine der etablierten Parteien mehr übrig.
Man muss auf eine der kleineren Parteien ausweichen.
Und dann ist da ja noch die programmatische Entscheidung. Sie ist bei Lichte betrachtet spätestens seit dem Ende Helmut Kohls nicht mehr aussagekräftig. Seit Schröder nach erfolgtem Auftrag, den Neoliberalismus einzuführen, den Stab an Merkel überreicht hat, haben sich die „Volksparteien“ SPD und CDU derart angeglichen, dass einem die Haare zu Berge stehen.
Übriggeblieben ist ein Haufen kleiner Parteien, die sich entweder über den Einzug in den Bundestag oder über das Überschreiten der Wählerstimmen von 25 Prozent feiern. Wir haben es nicht nur mit einer Pralinenschachtel voller bitterer Pillen zu tun, sondern darüber hinaus mit einem Tuschkasten, der neben Farbenvielfalt nichts zu bieten hat, was der Bevölkerung zugutekäme.
Man könnte sich vor dieser Wahl die Frage stellen, wann welche Partei einmal etwas nachhaltig Gutes gemacht hat. Etwas Bleibendes, etwas Spürbares.
- Eine vernünftige Lohnentwicklung vielleicht.
• Eine ernsthafte Stabilisierung der gesetzlichen Rente.
• Eine Verbesserung des Gesundheitssystems.
• Effektive Maßnahmen gegen Altersarmut, Kinderarmut, Armut überhaupt und/oder Obdachlosigkeit.
• Massive Investitionen in die Bildung womöglich, in die Infrastruktur.
• Verbindende Politik, die dem Frieden statt der Konfrontation zugewandt ist.
• Entwicklungshilfe, die den Namen verdient und dazu beiträgt, Abhängigkeiten wirtschaftlich schwächerer Länder zu reduzieren, ihnen mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen.
• Weniger Ausgaben für die Rüstung, weniger oder besser keine Auslandseinsätze mehr.
• Bezahlbarer Wohnraum, langfristig und auch für kleinere Einkommen.
• Ein regulierter Arbeitsmarkt, der sicherstellt, dass Arbeit angemessen bezahlt wird und für ein auskömmliches Leben sorgt.
Die Fragen sind beliebig erweiterbar, jeder wird welche haben, die ihm unter den Nägeln brennen.
Was bleibt …
… ist Ratlosigkeit. Denn ganz nüchtern betrachtet muss man feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten für den Großteil der Bevölkerung nur wenig besser, aber sehr viel schlechter geworden ist.
Der Wahlkampf bestätigt diesen Eindruck übrigens. Die Kandidaten gehen zwar aufeinander los und versuchen, die Konkurrenten schlecht aussehen zu lassen. Doch die Themen, die die Menschen betrifft – seit vielen Jahren schon, werden, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Man ist auf sich fixiert, immer in Habachtstellung und darauf bedacht, die rhetorischen Duelle zu gewinnen. Man lässt sich in Schulen mit Kindern fotografieren, die unter der Maske versteckt sind, macht gute Miene, die beste Miene, zum bösesten Spiel. Absurder geht es kaum.
Bezeichnend für die Niveaulosigkeit der derzeitigen Politik ist – als ein Beispiel von unzähligen – Armin Laschet. Er kommt plötzlich mit einem Team um die Ecke, politisch korrekt zusammengesetzt und darauf bedacht, irgendwie doch noch die Menschen zu erreichen.
Mit einem Sofortprogramm.
Was aber sollen die Wähler von einem Sofortprogramm halten, das von einem Kandidaten kommt, dessen Partei 16 Jahre Zeit hatte, etwas zu tun?
Quelle:
Bild: jon-tyson–unsplash
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