Was bei dem Berliner Medien-Start-Up Steady auf der Homepage steht, klingt toll: „Die Zukunft für unabhängige Medien und Kreative: Mit Steady gemeinsam die Projekte unterstützen, auf die wir nicht verzichten wollen. Von unabhängigen Medien über Podcasts, von Videos bis Open-Source-Code. Denn gute Arbeit verdient mehr als ein Like.“ So zumindest sieht Steady sich selbst. Und weiter: „Mitgliedschaften sind der Schlüssel zu einer unabhängigen und vielfältigen Medienwelt. Denn Mitglieder unterstützen Projekte und Persönlichkeiten nachhaltig. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Mitglieder sind treuer und engagierter als Abonnent:innen. Mitglieder befreien Medien. Das ist die Membership-Revolution, und sie wartet nicht.“
Die Realität sieht anders aus. Das Berliner Start-Up wird geleitet von dem Journalisten Philipp Schwörbel und wurde gegründet aus dem Umfeld des Journalisten-Portals Krautreporter. Zu den Investoren gehört über eine Tochterfirma unter anderem die staatliche IBB Beteiligungsgesellschaft. Die gehört der IBB: der „Förderbank des Landes Berlin“. Es sind also unser aller Steuergelder mit im Spiel. Zumindest indirekt. Und insofern sollten auch gewisse demokratische Spielregeln gelten für das Unternehmen. Aber Pustekuchen! Denn offenbar hat „Steady“ nur dann einen Sinn für „unabhängige Meinungen“ und „Meinungsfreiheit“, wenn die Meinungen auch zu der eigenen passen.
Seit einem Jahr können meine Leserinnern und Leser über SteadyPatenschaften für meine Seite abschließen und so kritischen und unabhängigen Journalismus unterstützen. Am Donnerstag bekam ich nun einen Brief von Schwörbel. Da steht: „Ich schreibe Ihnen heute, weil Steady die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrer Publikation www.reitschuster.de beenden möchte. Freie Meinungsäußerung ist uns wichtig. Die Publikation von Inhalten, die Missfallen erregen, sanktionieren wir darum nicht zwangsläufig. Wir greifen möglichst wenig in die Freiheit der Steady-Publisher ein. Dazu gehört auch die Freiheit, Inhalte anzubieten, denen nicht jeder zustimmt, auch das Steady-Team nicht. Es gibt für uns aber Grenzen, die wir nun überschritten sehen.“
Was für eine Selbstentlarvung! In einem Satz ein „Bekenntnis“ zur Meinungsfreiheit. Und dann: „Publikation von Inhalten, die Missfallen erregen, sanktionieren wir darum nicht zwangsläufig“.
Werte Kollegen: Jede journalistische Publikation, die „kein Missfallen erregt“, ist kein Journalismus, sondern PR bzw. Werbung (frei nach dem Spruch, der m.W. fälschlich George Orwell zugeschrieben wird: „Journalismus bedeutet etwas zu bringen, von dem andere wollen, dass es nicht veröffentlicht wird. Alles andere ist PR.“). Wie großzügig, dass kritischer Journalismus „nicht zwangsläufig sanktioniert“ wird. Also nur nach Gusto.
Sie greifen „möglichst wenig in die Freiheit der Steady-Publisher ein“. Was für eine grandiose Formulierung! Wenn möglich, wenig, Aber wenn nötig, halt auch viel. Hauptsache, man greift im Zweifelsfall ein. Sonst könnte ja am Ende noch jeder schreiben, was er will! Wo kämen wir da hin! Offenbar fühlt man sich bei Steady als Erziehungsberechtigter der Kunden. Oder als Betreuer. Passend zum betreuten Informieren.
Nicht ein einziges Wort
Konkrete Begründung für die Kündigung? Kein Wort. Welche „Grenzen“ überschritten sind? Kein Wort.
„Steady“ unterminiert damit das eigene Geschäftsmodell – aus Ideologie. Denn wer, außer stramm auf Linie liegenden Journalisten, möchte mit einer Plattform zusammenarbeiten, die ihn faktisch jederzeit vor die Tür schickt, wenn die Meinung nicht (mehr) passt? Aber was soll’s! Auf der Steady Homepage steht, man könne „noch nicht kostendeckend arbeiten“. Solange man Zugriff auf Steuergelder hat, kommt es nicht so sehr auf die Kunden an. Und man kann sich die stramm nach Linie aussuchen.
Wenn so viel Ideologie nicht so gefährlich und traurig wäre, müsste man lachen. Und Steady dankbar sein.
Denn die Journalisten-Plattform belegt mit ihrem Kurs das Problem, das viele Journalisten mit der Meinungsfreiheit haben. Genauer gesagt: Mit der Freiheit für Meinungen, die nicht ihre sind. Und „Missfallen erregen“.
Doch nicht nur mit seiner Begrünung hat Steady ein Eigentor geschossen. Denn so, wie ich Sie, meine lieben Leserinnen und Leser, kenne, wird dieser Schuss (gegen kritischen Journalismus) nach hinten losgehen! Die Versuche, reitschuster.de die Luft abzudrehen (die auch Youtube mit einem faktischen Werbe-Verbot seit Monaten anstellt) werden nicht nur scheitern. Ich bin überzeugt: Sie erreichen genau das Gegenteil. Meine Seite wird gestärkt daraus hervorgehen! Denn mit ihren Attacken beweisen Steady und Youtube selbst, wie wichtig die Arbeit von meinem großartigen Team ist.
Steady als Inovationstreiber
Und für die Unterstützung dieser Arbeit brauchen meine Leserinnen und Leser keine ideologischen Wärter mit Staatsgeld wie Steady. Ein guter alter Dauerauftrag tut es auch. Sogar noch besser. Denn so fallen die satten Gebühren weg. Außerdem werde ich mich nach einer Möglichkeit für „Patenschaften“ via Kreditkarte umsehen, so wie es etwa die „Achse des Guten“ praktiziert. Insofern ist Steady wenigstens da „Innovationstreiber“. Und hilft meiner Seite.
Aber zurück zu dem Herren, von dem der Brief kam. Persönlich. Über Steady-Chef Philipp Schwörbel steht auf der Webseite seiner „Krautreporter: „Jahrgang 1971, einer der Gründer und Geschäftsführer von Krautreporter. 2010 gründete er die Prenzlauer Berg Nachrichten und ist seitdem als deren Herausgeber aktiv. Berufliche Stationen führten ihn u.a. zur Bertelsmann Stiftung, der UFA Film & TV Produktion, sowie zu Gesine Schwan.“
Das erklärt einiges.
Nicht zu erklären ist dagegen, ob es nur Zufall ist, dass die Kündigung keine 24 Stunden kam, nachdem ich die neuen Besucherzahlen für meine Seite vermeldete? 2,8 Millionen im Dezember nach einem Jahr Bestehen – wo Schwöbels Krautreporter nach sechs Jahren gerade mal auf knapp 0,3 Millionen kommen? Keine 24 Stunden nachdem meine Nachfragen in der Bundespressekonferenz und meine Berichte hier auf der Seite dazu führten, dass die Bundesregierung nach ihrem ursprünglichen Mauern doch noch die Namen der (nur sechs) Experten nannte, die sie zum Lockdown berieten, und unter denen weder Psychologen noch Wirtschafts- oder Erziehungswissenschaftler waren (siehe hier)?
Die Krautreporter sind stramm am Zeitgeist orientiert und auf Linie. iBusiness schreibt: „Krautreporter dienten schon bislang für andere journalistische Projekte wie den Video-Polit-Talk ‘Jung & Naiv‘ als Finanzierungsplattform.“ „Jung & Naiv“-Gründer Tilo Jung war selbst Mitglied von Krautreportern. Nach Vorwürfen des „Sexismus“ und der „Frauenfeindlichkeit“ wegen eines Bildes auf Instagram musste er dann aber eine Krautreporter-Pause machen. Also so ganz eng sah man es auch bei dieser Plattform von Schwörbel nicht mit der Meinungsfreiheit. Die gilt nicht für alle, die umstrittene Witze machen. Vielleicht steht das ja irgend wo so im Grundgesetz.
Im Nachhinein muss ich sagen: Sechs, Reitschuster, setzen! Wen habe ich da nur in blauäugigem Vertrauen auf Fairness als Partner für meine Patenschaften ausgewählt!
Ich hoffe, Sie, liebe Leserinnen und Leser, verzeihen mir diese Blauäugigkeit. Dafür haben wir jetzt einen Ritterschlag: Wenn man versucht, uns auf diese Weise an die Gurgel zu gehen, beweist das nur, dass kritischer Journalismus mit kritischem Nachhaken einigen ein großer Kloß im Halse ist – und damit umso notwendiger.
Bevor ich unten meinen Antwortbrief an Schwörbel abdrucke, hier noch allen Unterstützern ein ganz herzliches Dankeschön!
Und an Herrn Schwörbel und seine Kollegen der Hinweis: Wer sich für Meinungsfreiheit und gelebte Demokratie stark machen will, braucht dazu keine Zensoren bzw. Betreuer von „Steady“. Erwachsene, selbstbestimmte und selbstdenkende Menschen finden ihren Weg, das zu unterstützen, was sie unterstützten wollen.
PS.: Allen meine Steady-Paten rate ich, schon vor der Wirksamkeit des „Rausschmisses“ am 31.3.21 bei Steady zu kündigen. Wenn Sie stattdessen einen Dauerauftrag einrichten, bin ich außerordentlich dankbar. Und Steady verliert seine Prozente (die auch bei der Alternative Patreon horrend sind): IBAN: DE92 1001 1001 2629 8468 32
Quelle: Reitschuster.de
Bild: Pixabay – tanertosun